Social Freezing – Kinderplanung einfach verschieben?

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Welche Vorteile und Risiken hat das Social Freezing

Spätestens ab Mitte Zwanzig wächst die Frage "Kind oder Karriere?" und am Horizont erscheint die Biologische Uhr, deren Ticken mit jedem Geburtstag lauter wird. Ein Verfahren namens "Social Freezing" könnte diesem Dilemma Abhilfe schaffen und es Frauen ermöglichen, ihre Familienplanung auch jenseits der Wechseljahre zu realisieren.

Doch wie funktioniert das Einfrieren der Eizellen? Und wie „einfach“ ist es wirklich, die Kinderwunsch zu verschieben? Warum wir heutzutage von Familienplanung sprechen, hat seinen Grund: Während der Nachwuchs früher als Teil des natürlichen Lebenszyklus kam, haben wir heute die Freiheit (und die Pflicht), alles durchzuplanen. Schwangerschaft, Geburt und Elternzeit müssen mit einer Vielzahl von äußeren Faktoren abgeglichen werden: Habe ich den richtigen Partner? Haben wir genügend Geld? Muss ich mich zwischen Baby und Karriere entscheiden? An diesem Punkt haben wir dann aber oft noch gar nicht über den größten Risikofaktor nachgedacht – und das ist unser Alter.

Die Fruchtbarkeit einer Frau hängt von zwei Faktoren ab: ihrem Alter und der Qualität ihrer Eizellen. Wie lange Sie fruchtbar bleiben, ist eine Frage der Genetik, da der Gesamtvorrat an Eizellen bereits bei der Geburt festgelegt ist. Fakt ist jedoch, dass Ihre Chance auf eine Schwangerschaft bereits ab dem 30. Lebensjahr abnimmt und Frauen über 40 sogar nur noch eine Chance von etwa fünf Prozent haben schwanger zu werden.

Kryokonservierung

Das Einfrieren von Eizellen, fachsprachlich Kryokonservierung genannt, stammt ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Raum und ist für Krebspatientinnen mit Kinderwunsch entwickelt worden. Da eine Chemotherapie häufig mit Unfruchtbarkeit aufgrund einer irreversiblen Schädigung der Fortpflanzungsorgane und des Erbguts einhergeht, hat man jungen Frauen auf Wunsch gesunde Eizellen entnommen und „auf Eis“ gelegt, um später einen möglichen Kinderwunsch erfüllen zu können. Das erste durch In-vitro-Fertilisation einer eingefrorenen Eizelle entstandene Kind wurde 1987 geboren. Seither ist das Verfahren entsprechend etabliert und wird im Rahmen der Kinderwunschbehandlung eingesetzt.

Mittlerweile hat sich anstelle des Slow Freezing der entnommenen Eizellen das Verfahren der Vitrifikation durchgesetzt: Hier werden die Eizellen durch das Eintauchen in flüssigen Stickstoff bei einer Temperatur von -196°C innerhalb von Sekundenbruchteilen eingefroren. Auf diese Weise wird der natürliche Alterungsprozess der Zellen gestoppt und sie können, aktuellen Forschungsergebnissen zufolge, quasi unbegrenzt in Stickstoff eingelagert und Frauen jeden Alters eingesetzt werden. Rund achtzig Prozent der eingefrorenen Zellen überstehen den Prozess unbeschadet und die Erfolgsrate bei der anschließenden In-vitro-Fertilisation liegt zwischen sechzig und siebzig Prozent.

Die neue Freiheit

Im Gegensatz zur Vitrifikation aus gesundheitlichen Gründen liegt beim sog. Social Freezing keine medizinische Indikation vor. Hier werden gesunden und möglichst jungen Frauen mehrere Eizellen entnommen mit dem Ziel, diese zu einem späteren Zeitpunkt künstlich zu befruchten und wieder einzusetzen – und zwar genau dann, wenn die Frauen beschließen, dass es der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft ist. Wie der Begriff bereits zeigt, sind die Beweggründe für diese Art der Fruchtbarkeitsprävention vor allem sozialer Natur:

Für Social Freezing entscheiden sich vor allem Frauen, die

  • noch nicht genau wissen, ob sie später ein Baby haben möchten
  • noch nicht den richtigen Partner gefunden haben
  • noch nicht in den richtigen Lebensumständen sind
  • sich zunächst Ihrer Karriere widmen möchten

Obgleich das Social Freezing zunächst nur ein Nebenprodukt der Behandlungsmöglichkeit für Krebspatientinnen war, wird es seit einigen Jahren immer wichtiger. Mittlerweile erkennen Gremien wie die „American Society for Reproductive Medicine“ (kurz: ASRM) das Social Freezing als reguläre Behandlungsmöglichkeit an und Unternehmen wie Facebook und Apple bieten wichtigen Mitarbeiterinnen das Einfrieren ihrer Eizellen sogar als Bonus an, damit sie ihre Karriere nicht zurückstellen müssen. Könnte das unsere lang ersehnte Befreiung vom Ticken der Biologischen Uhr sein?

Risiken

Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt – und bei allen Chancen, die das Social Freezing bietet, gibt es auch hier gewisse Risiken, über die Sie sich im Klaren sein sollten. Falls Sie darüber nachdenken, Ihren Kinderwunsch um ein oder zwei Jahrzehnte nach hinten zu verschieben, sollten Sie sich für einen seriösen Anbieter entscheiden, den sie vor allem an der Transparenz der Informationen erkennen. Im Netzt finden Sie bei den verschiedenen Anbietern ausführliche Informationen über das Verfahren sowie Möglichkeiten und auch Grenzen der Anwendung. Zu diesen Grenzen gehört beispielsweise, dass der Faktor Zeit auch beim Freezing durchaus eine Rolle spielt: Erstens sind die Erfolgschancen am größten, wenn die Frau bei der Entnahme der Eizellen nicht älter als dreißig  Jahre ist und zweitens sollte die befruchtete Eizelle bis spätestens zum 51. Lebensjahr wieder eingesetzt werden – danach sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine gesunde Schwangerschaft trotz Vitrifikation.

Weitere Risikofaktoren beim Social Freezing sind:

  • Gesundheitliches Risiko

Da grundsätzlich mehrere gesunde Eizellen eingefroren werden, Ihr Körper pro Zyklus normalerweise aber nur eine einzige Eizelle produziert, werden die Eierstöcke im Vorfeld der Entnahme durch Hormongaben zu einer höheren Produktion stimuliert. Die Hormonbehandlung kann zu kleineren Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme und Stimmungsschwankungen, allerdings auch zu erheblichen Folgen wie Durchblutungsstörungen und Zystenbildung führen. Darüber hinaus erfordert die Entnahme der Eizellen in der Regel eine Vollnarkose und das Einsetzen der befruchteten Zellen kann eine Entzündung der Gebärmutter nach sich ziehen.

  • Mehrlingsschwangerschaft

Da bei der späteren In-vitro-Fertilisation in der Regel mindestens drei befruchtete Zellen eingesetzt werden, um das Risiko eines Misserfolgs zu minimieren, besteht die Gefahr einer Mehrlingsschwangerschaft. Je nach Alter und Gesundheitszustand der Mutter kann dies zu erheblichen Komplikationen während der Schwangerschaft führen.

  • Hohe Kosten

Mit mindestens zweitausend Euro für Stimulation, Entnahme und Einfrieren der Eizellen plus circa dreihundert Euro/Monat für die Lagerung ist das Social Freezing nichts, das man unüberlegt angehen sollte.

Pro

  • Größere Freiheit in der Familien- und Karriereplanung
  • Schwangerschaft mit unbeschadetem genetischen Material in jedem Alter
  • Auch bei einer Erkrankung wie beispielsweise Krebs, die nach der Entnahme auftritt, besteht später immer noch die Chance auf ein gesundes Baby

Contra

  • Hohe Kosten
  • Hohes Risiko – obwohl die Theorie Schwangerschaft in jedem Alter verspricht, bestehen bei der In-Vitro-Fertilisation ab 40 Jahren die gleichen Risiken wie bei allen älteren Frauen: Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes, Frühgeburten …
  • Gesundheitliche Risiken bei der Vorbereitung, der Entnahme und dem späteren Einsetzen der Eizellen
  • Diverse ethische Bedenken -angefangen bei der Eignung von 60- oder 70-jährigen Müttern bis hin zu der generellen Frage, wie stark der Mensch in die Natur eingreifen darf
Janina Wolf
Autor: Janina Wolf
Aktualisiert am: 22.03.2021